Montag, 10. Juni 2013

Ein einfaches Rezept

Selbst in der entferntersten Provinz Chinas mit wenig Flugbewegungen erlebt man Flugverspätungen. Ich sitze am nigelnagelneuen winzigen Flughafen von Bole im Nordwesten Chinas und warte auf den einzigen täglichen Flug zur Provinzstadt Urumqi, der zuerst um zwei, dann um drei und mittlerweile um fünf Stunden verspätet ist. Ausgezeichnete Gelegenheit, um die vergangene Woche Revue passieren zu lassen. 

Erster Chinabesuch 
Diese Läufe sind ideal, um alte und neue Freunde zu treffen, aber auch um andere Kulturen kennen zu lernen. Ich habe starke Kontraste zwischen boomenden Städten und extrem armen Tälern, wo ganze Familien Schafe hüten. Einige Bauern reiten immer noch Pferde, andere treiben ihre Tiere auf unwegsamem Gelände mit Motorrädern zusammen. Aber eins haben alle gemeinsam, selbst im entlegensten Tal: ein Handy, um uns fremde Läufer zu fotografieren (oder sich mit uns fotografieren zu lassen), vom neusten Samsung bis zum ältesten Nokia. 

Alle wollen ein Bild mit dem "Langnasigen" - hier in der boomenden Stadt Bole

Recht interessant waren auch die paar Tage Aufenthalt in Urumqi und Bole. Was mich besonders beeindruckt hat, war der Volkspark in Urumqi. Am frühen Morgen waren hunderte von Einwohnern an ihren Körperübungen: Tai-chi, Karate, tanzen, Badminton spielen, auf den Boden mit Wasser schreiben oder Instrumente spielen. Und alles in einer sehr friedlichen Stimmung.


Ruhe und Konzentration in Urumqi's Volkspark

Erfahrungen gesammelt 
Im Camp haben wir uns wie gewohnt über Gott und die Welt ausgetauscht. Es ist spannend, wie jeder die Ansicht aus seinem Kulturkreis einbringt. Diese Begegnungen bieten auch Gelegenheit, den Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen zu üben. 

[Mittlerweile habe ich die amerikanische Reisekultur erlebt. Die auf den Flug wartenden Amerikaner haben mir ihre panisch geprägte Ungeduld aber auch Organisationstalent gezeigt: ich sitze nun im Hotel in Urumqi nach einer achtstündigen Busfahrt über die ganze Provinz. Die Amerikaner haben in Nullkommaplötzlich einen Bus-Transfer organisiert, da sie befürchteten, dass unser Flugzeug gar nicht starten würde. Damit habe ich Gelegenheit gehabt, moderne Autobahnen, verstaubte Provinzstrassen, Feldarbeiter, Raffinerien, Kernkraftwerke, Wüstenland, verschneite Berge, Kleinstädte, Abendmärkte, einen unermüdlichen Busfahrer und viel viel mehr aus dem Busfenster zu fotografieren.] 

 
8 Stunden Busfahrt statt 1 Stunde Flug


Zurück zur Laufwoche. Ich habe einmal mehr viele Erfahrungen betreffend meine physischen und psychischen Möglichkeiten sowie über die Lauftechnik gesammelt. Sogar das schlechte Wetter hatte etwas Positives: nun weiss ich besser, wie ich damit an meinem nächsten Lauf in Island umgehen kann.

Hervorragendes Resultat 
Meine Klassierung in den top ten habe ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Nach dem erfolgreichen Sahara-Lauf lag wohl eine Wiederholung des Altersklassen-gewinns wohl drin, aber eine solche Konstanz über die ganze Woche hat mich selber überrascht. Ich habe nicht übermässig trainiert, war vielleicht dies das Rezept? Ich bin ohne körperliche Beschwerden nach China gereist und ohne Druck jeden Tag genossen. 


Auch diesmal Alterskategorie-Sieger



Bestimmt hat mir das Gelände geholfen: mehrere Streckenteile waren mit unseren Alpwiesen und -wegen vergleichbar, ich konnte meine Lauftechnik gut umsetzen. 

Die in anderen Ultra- und Mehrtagesrennen gesammelten Erfahrungen waren ebenfalls wichtig. Viele jüngere Teilnehmer konnten ihre Kräfte nicht einteilen und sind entweder gegen Ende der jeweiligen Etappe oder gegen Ende der Woche eingebrochen. 


Der Zusammenhalt  
Im Camp herrschte eine schöne Stimmung, und dies sogar in der ersten Hälfte des Teilnehmerfeldes, trotz der Kompetition. An diesen Läufen gibt es nur eine Finishermedaille zu gewinnen, deshalb herrschen faire Bedingungen unter den Läufern. Die unerwartet harten meteorologischen Bedingungen mit regnerischem und meistens kaltem Wetter haben bestimmt den Zusammenhalt gefördert. 

Unser erfolgreiches und humorvolles Zelt: drei Alterklassengewinner, ein 5. und ein 10. Platz

Das einfache Rezept  
Die grösste Freude haben mir ein paar Kollegen bereitet, die mir mitgeteilt haben, dass sie sich durch meine Einstellung zum Laufen inspiriert fühlen. Das Rezept ist einfach: nicht verbissen, sondern mit einem Lächeln auf den Lippen durch die Welt laufen (oder gehen). 

Tankstelle in China


750'000 Schritte  
Herzlichen Dank an alle, die mich aus der Ferne unterstützt haben. Es war eine Freude, eures Mitfiebern zu spüren und die Unterstützungsnachrichten zu lesen. Nun habe ich 750'000 von einer Million Schritte für Special Olympics hinter mir. Ihr könnt weiterhin das Projekt mit einem Franken pro Schritt unterstützen.

Mit Joel, Special Olympics USA
Nächste und letzte Etappe der 4Deserts: Antarktis im November 2014, wofür ich mich qualifiziert habe. Zwischenetappe in August mit dem Racing the planet-Lauf in Island.

Einladungsbrief für "The Last Desert"




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