Samstag, 30. September 2023

Atacamawüste zum Zweiten

Ich bin die 250 km des Atacamacrossings erfolgreich zum zweiten mal nach 11 Jahren durchgelaufen.

Dieses Rennen entspricht tatsächlich dem Motto des Veranstalters: #morethanarace Es ist eine Summe an Erlebnissen, Gefühlen, Freundschaften fürs Leben!

Die letzte Etappe war mit 18 km länger als gewöhnlich. Ich konnte meine erstaunlich noch frischen Beine laufen lassen und die ganze Strecke inklusive Steigungen durchlaufen. Vielleicht hat auch der fast leere Rucksack geholfen ;-) Ich denke, das Training zu Hause im Engadin auf ähnlichen Höhen wie in der Atacamawüste hat mir die Aufgabe etwas erleichtert. Und vermutlich auch das Trekking bis auf 5’000 Meter in der Woche vor dem Lauf hat das eine oder andere rote Blutkörperchen aktiviert.

Ich bin mit dem Resultat: 1. meiner Altersklasse und 17. im Gesamtklassement mehr als zufrieden.

Meine Ziele konnte ich erreichen

  • Gleichgesinnte kennenlernen: mit ihnen habe ich Freuden und Leiden sowie interessante Gespräche geteilt
  • Meine physischen und psychischen Grenzen kennenlernen: für meine Zukunft und für meine gecoachten Kunden habe ich viele Erfahrungen gesammelt.

Aus dieser Erfahrung sehe ich zwei Erkenntnisse bestätigt:

  • Richtig einteilen und den Kopf einschalten ist das Allerwichtigste. Das bedeutet, auch mal zu gehen oder eine Pause einzuschalten. Die einzige grosse Krise hatte ich, als ich weitergegangen bin und mir nicht die nötige Zeit genommen habe, um Körper und Kopf wieder ins Lot zu bringen.
  • Wenn man in ein gesundes Leben investiert, ist Alter kein Thema. 16 Personen vor mir, etwa 90 - fast alle jünger als ich - hinter mir sind ein Beweis, dass man auch mit 64 sportliche Leistungen auf einem hohen Niveau erbringen kann.

Nun gilt es, all die Eindrücke und Erfahrungen zu verarbeiten und das nächste Ziel zu setzen. Wetten, dass es wieder ein Mehretappenlauf sein wird? Keep on Running and Smiling!  



Freitag, 29. September 2023

Maschine

Das grösste Kompliment, das ich erhalten habe: You are a machine. Gesagt mit grosser Verneigung von einem Japaner. Ja, die Japaner verehren alte Leute, und ich hoffe als Mentor Beispiel für viele andere Leute zu sein. 
 
Wenn wir schon beim Storytelling sind: gestern hatte ich wieder meine zwei virtuellen Helfer dabei, die alles Mögliche erfunden haben, um mich ins Ziel zu lotsen. 
 
Die Aufgabe war nicht ganz einfach: Einmal habe ich mich leicht verlaufen; ich habe dann im Camp von anderen Läufern gehört, dass auch für sie diese Stelle nicht eindeutig markiert war. 
 
Zudem bin ich kurz nach Nachteinbruch ins Ziel eingelaufen. Um diese Zeit war die Strecke sehr schwer zu erkennen. Zuerst mal das Dämmerungslicht, dann die rosaroten Fähnleine, die vor dem okra-Landschafthintergrund schwer zu erkennen waren, und dann die sadistisch angelegte letzte - technisch schwierige - Sektion, die volle Aufmerksamkeit verlangte. Na ja, im Schrittempo bin ich kurz nach 12 Stunden glücklich ins Ziel eingelaufen. 
 
Die Strecke war sehr schön, aber eben technisch schwierig - eindeutig abweichend vom Kurs, den ich vor 11 Jahren gelaufen bin. Das hiess: mental immer wieder fokussieren und das Tempo anpassen. 
 

 
Nochmals Salzflächen
 
Ich bin relativ schnell gestartet, am zweiten Checkpoint war ich an 9. Stelle, habe dann entschieden das Tempo deutlich zu drosseln und in der Mittagshitze es gemütlich zu nehmen. Anscheinend sind die Temperaturen bis auf über 50 Grad gestiegen: es war einfach heiss, ich kann nicht sagen, wie heiss. Ich habe meine üblichen Strategien eingesetzt und bin gut durchgekommen. Eine schöne Überraschung hatten wir am 3. Checkpoint, wo wir Cola erhalten haben (wie auch vorgestern Abend) als Belohnung für das Aushalten der Hitze. Dieses Jahr werden wir echt verwöhnt
 
 
Langsam unterwegs in der Mittagshitze
 
Nicht nur die Hitze hat mich gebremst, sondern auch eine aufkommende Blase unter dem linken Fuss. Ich musste an zwei Checkpoints länger anhalten, um sie verarzten zu lassen. Das kann man auch positiv sehen: dadurch habe ich mich etwas erholen können. Und hier im Camp bin ich bei weitem nicht der Einzige, der herumhumpelt. Nun heisst es, den Magen zu füllen, Schatten zu suchen und Freundschaften zu pflegen. Und Pläne schmieden mit neuen Bekanntschaften, die mich im Engadin besuchen werden. 
 
Für die Statistik-Interessierten: Gestern bin ich an 19. Stelle eingelaufen, im Gesamtklassement liege ich an 21. Stelle und habe einen Vorsprung von 7 Stunden auf den 4 Jahre jüngeren Konkurrenten in meiner Alterskategorie 60plus. Das heisst: morgen einmal mehr geniessen bis ins Ziel in San Pedro oder anders ausgedrückt: keep on running and smiling!



 
Blasenpflege am Checkpoint 4


 

Mittwoch, 27. September 2023

Blasen ...

Et voilà, am 4. Tag erscheinen die Blasen. Der Untergrund war heute sehr anspruchsvoll, wir sind durch Salzflächen gelaufen, die sehr unregelmässig sind. Auf Englisch wird der Untergrund „frozen broccoli“ genannt. Der Fuss ist ständig in Bewegung in den Schuhen, und die Zehen drücken überall im Schuh. Zudem gab es zwei Tümpelüberquerungen. Resultat: vier getapte und zwei durch den Arzt gelöcherte Zehennägel, da von Schlägen an Steinen sich Blut im Zehenbett gebildet hat. 
 
Sonst ist meine Taktik gut aufgegangen: langsamer Start und durchhalten in den flachen Passagen. Bei der ersten grossen Steigung habe ich mich wie vor zwei Wochen auf der Fuorcla Chamuera in der Nähe von zu Hause gefühlt: gleiche Steinfarben und ähnlichen Untergrund. Es war schwierig, mich zurückzuhalten.
 
Auch in den Flachpassagen vor und nach den Salzflächen musste ich mich wieder bremsen, mit dem morgigen Tag im Hinterkopf. Zudem hatte mich der Mitbewerber im Altersklasse-Klassement am Checkpoint 1 gesagt, dass er genug vom Sand hatte -  und wir hatten eine etwa 10 km lange Sandpassage vor uns …. So konnte ich auch heute eine Stunde auf ihn gut machen. 
 
Etwas ungünstig war die Mitteilung am Checkpoint vor den Salzflächen, dass diese Sektion 8 km lang war. In der Tat war sie 14 km lang, und zum Glück habe ich mein Wasser richtig eingesetzt. Aber mental war es nicht einfach, nach 8 km immer wieder nicht nur nach den Streckenmarkierungen, sondern auch nach dem Checkpoint zu schauen. 
 
Auch heute  hatte ich Begleitung, aber nur virtuelle. Mein Schlittenhund hat mich über die Salzflächen gezogen, und mein Bär hat immer wieder den Malojawind (selbstverständlich als Gegenwind zum Abkühlen) organisiert. 
 
Weiter begleitet mich in diesen Tagen Cristina Cavalli, leider an Krebs gestorben. Sie war eine der Initiantinnen der Pink Ribbon-Läufen. Vielleicht habt ihr auf den Bildern gemerkt, dass einige Leute rosa Streifen tragen. Sie signalisieren den Photographen, wer ein Photopaket gekauft hat. Und jedesmal wenn mein Blick auf mein Streifen fällt, erinnere ich mich an Cristina.
 
Morgen ist die lange Etappe angesagt. Ich werde deshalb erst am Freitag den Blog schreiben können. Aber ihr könnt mein Fortschreiten mit dem Tracking auf der Website verfolgen. Ich werde seeeehr langsam sein. Keep on running and smiling!
 
 
Der Beginn der Salzflächen, die nicht nur Körper und Kopf
sondern auch die Schuhsohlen beanspruchen
 

 

Dienstag, 26. September 2023

Diese Hitze!

Diesmal halte ich mich kurz, da nach diesem heissen Tag ich mich rehydrieren und ernaehren muss. 
 
Hat mich gestern Samuel begleitet, war es heute Olaf: mit ihm habe ich einen guten gemeinsamen Freund aus Nashville, Joel, den ich gerade hier vor 11 Jahren kennen gelernt habe.
 
Heute habe ich die Taktik geändert: schnell starten und auf den schwierigen Strecken in der Mittagshitze das Tempo drosseln. Dies hat mir erlaubt,  den Kampf zwischen Platz 2 und 4 der Damen zu verfolgen, da ich in dieser schnellen Gruppe unterwegs war.
 
Ich habe selbstverständlich weitere Tricks angewendet, aber diese behalte ich meinen gecoachten Kunden vor ;-)
 
Trotzdem habe ich noch nie so gelitten wie auf den letzten 4 Kilometern auf schwierigem Terrain, mit Felsen und Sand, die die Hitze zusätzlich reflektiert haben. Ich konnte nichts mehr essen, nur noch Wasser trinken.
 
Die schwierigen Passagen zwischen hohen Gräsern, auf Steinen, im Sand, Dünenaufstiege und -abstiege sind hier kaum zu beschreiben. Schaut mal die Bilder auf der Website von Racing the Planet. Ah ja: vielleicht hat es auch ein Video des Hundes, der uns bis zum ersten Checkpoint begleitet hat. Hier im Camp ist er übrigens wieder aufgetaucht: er ist vermutlich mit langsameren Teilnehmern mitgelaufen.
 
Morgen erwartet uns die bisher längste Etappe, und am Donnerstag der sogenannte Long March von ca. 90 Kilometern. Erwartet deshalb kein gutes Resultat von mir morgen: ich werde schnell wandern, um Kräfte zu sparen und das Tempo für die lange Etappe zu üben. Anscheinend habe ich eh bereits ca. 4 Stunden Vorsprung auf den Zweitklassierten meiner Alterskategorie ;-)
 
PS Habt ihr gemerkt, ich habe herausgefunden, wie ich auf diesen Tastaturen die Umlaute verwenden kann, dank der Hilfe meiner Kollegin Bea aus Spanien, sie hatte das gleiche Problem mit ihren spanischen Akzenten. Und da wir beide bereits vor 11 Jahren da waren, haben wir gerade die Streckenänderungen im Vergleich zu damals kommentiert.
 

 

 

Montag, 25. September 2023

Kühle Füsse

 Heute war der Tag der kuehlen und nassen Fuesse bei gefuehlten 30 Ueberquerungen des Flusses Rio Grande.

Aber vorerst eine persoenliche Bemerkung: heute vor 29 Jahren ist mein Vater Samuele gestorben. War es ein Zeichen, dass er mich waehrend mehreren Kilometern von einem Jungen aus Singapur namens Samuel begleitet hat?
 
Zurueck zum Lauf: nach etwa 7 Kilometern sind wir in einen ellenlangen und engen Canyon hinabgestiegen. Es war unmoeglich, die Fuesse trocken zu behalten. Das Wasser war meistens knietief aber sehr kalt, und die Steine manchmal sehr rutschig. Ich habe diese etwa 7-8 Kilometer gut gemeistert bis auf eine Passage, wo ausgerechnet die Fotografen da waren. Vielleicht gibt es auf der Website von Racing the Planet ein Bild oder ein Video von meinem Ausrutscher. Aber keine Sorge: der Rucksack ist trocken geblieben.
 
Bis auf halber Strecke (etwa 18 Kilometer) bin ich sehr vorsichtig gelaufen und keine Risiken eingegangen. Ab dem zweiten Kontrollposten habe ich aufgedreht und auch heute etliche Leute eingeholt. Und wie gestern habe ich 5 Kilometer vor dem Ziel die gestern zweite, heute vierte Frau eingeholt, und wir sind wieder zusammen ins Ziel eingelaufen. Die gegenseitige Unterstuetzung war bitter noetig, da auch heute die Mittagshitze auf sandigem Boden ziemlich herausfordernd war. 
 
Bisher geht alles auf: Taktik, Ernaehrung waehrend und nach dem Rennen sowie interessante Gespraeche unterwegs und im Camp. Ah ja, und heute durfte ich wieder viele schoene Bilder dieser interessanten Landschaft machen. Eine Passage hat mich an den Aufstieg zum Piz Nair in St. Moritz erinnert, auf einem herausfordernden aber auch motivierenden Singletrail. 
 
Nun etwas chillen und natuerlich essen vor der morgigen dritten Etappe. Danke an alle fuer die Nachrichten, sie sind sehr motivierend! Keep on running and smiling!

Der Ausruscher wurde tatsächlich dokumentiert


Sonntag, 24. September 2023

Der erste heisse Tag

Bevor ich vom Tag erzaehle, lasst mich von der kalten Nacht auf 3200m erzaehlen. Wir schluepfen normalerweise um 20 Uhr in den Rucksack, da es um 19:30 Uhr Nacht wird. Bis Mitternacht war es mir wohl, dann wurde es verdammt kalt. Zum Glueck duerfen wir neuerdings einen zusaetzlichen Schlafsack mitgeben (nicht selber tragen …) und am Abend abholen. So habe ich zum ersten mal in meinem Leben einigermassen gut in zwei Schlafsaecken geschlafen / thank you Daniel! 
 
Nach dem Start um 8 Uhr war es relativ schnell warm, zum Glueck gab es ab und zu Gegenwind - wie ich zu sagen pflege: das ist der Unterschied zwischen Wuestenlaeufern und Velofahrern: wir lieben Gegenwind!
 
Wie geplant bin ich verhalten gestartet, und in den technischen Passagen sehr kontrolliert gelaufen. Dies hatte den Vorteil, dass ich in der Mittagshitze auf einer Flaeche und auf dem abschliessenden Aufstieg in einem Canyon etliche Leute einholen konnte, die eingebrochen waren. Zusammen mit der zweiten Frau konnte ich die letzten Kilometer abspulen und mit noch genug Kraft ins Ziel laufen. 
 
Ein Missgeschick als Schlussanekdote: unterwegs habe ich etwa auf halbem Weg meine Photokamera verloren. Wie ihr euch vorstellen könnt, war ich ziemlich enttaeuscht, dass ich die Etappe (und die naechsten Tage) nicht dokumentieren konnte. Als ich dies bemerkt habe, habe ich es am naechsten Checkpoint gemeldet. Eigentlich ohne grosse Hoffnungen: das ist buchstaeblich, wie einen Sandkorn in der Wueste zu suchen. Als ich im Ziel das Missgeschick der Veranstalterin erzaehlt habe, meldet sich ein Laeufer und sagt, dass er die Kamera gefunden und am Checkpoint abgegeben hat. Ihr koennt euch bestimmt vorstellen, wie ich ihn umarmt habe.  
 
Bei der aktuellen Hitze werden wir morgen froh sein, etliche male einen Fluss zu ueberqueren und damit Fuesse und Beine abzukuehlen. Ich visualisiere gerade diese Passagen, da hier im Camp unertraeglich heiss ist. Aber wie ein Kollege es formuliert hat: “That’s what we came for …”. Run and smile! 
 
 
Wer sieht die rosaroten Fahnen der Streckenmarkierung?



 

Samstag, 23. September 2023

Das Abenteuer geht los

Das Abenteuer ist gestartet! Nach dem Check der obligatorischen Ausruestung (wir mussten 37 Bestandteile von der Schlafmatte bis zum Militaermesser) zeigen, sind wir 2 Stunden zum Start gefahren worden.

Ich war erstaunt, dass mein Rucksack nur 7.5 kg schwer ist, vermutlich einer der leichtesten, wenn ich mich so rumschaue. 

 

Nun Abendessen in einer wunderbaren Landschaft und dann bald ins Bett bzw. Schlafsack, da hier bereits um 19:30 Uhr einnachtet, und ein kuehler Wind kommt gerade auf.

 

Ich freue mich auf mein zweites Atacama Crossing! Ganz herzlichen Dank fuer eure aufmunternde Nachrichten, die bereits eingetroffen sind. Fuer die anderen: geht zur Resultatseite, sucht nach meinem Namen und nebenan “email” waehlen.

 

PS Ich schreibe auf einer amerikanischen Tastatur, so kann ich keine Umlaute waehlen, und das Korrekturprogramm schlaegt manchmal komische Worterfindungen vor … 

 

Ab morgen gilt wieder: Run and smile!!!