Reykjavik, 2 Tage vor dem Start: das Wetter war noch schön (aber bereits frisch und windig ...) |
Für mich ist dies der härteste meiner Racing the planet-Läufe gewesen, obwohl ich zwei Monate nach dem Gobi-Lauf nicht alles geben wollte - und auch nicht alles gegeben habe, da ich eine ungenügende Erholung nach Gobi vermutete. Der Lauf hat mich so ermüdet, dass ich eine Woche gebraucht habe, um meine Gedanken zu strukturieren und sie der Tastatur anzuvertrauen. Ich schleppe eine starke Erkältung mit und habe immer noch geschwollene Fussgelenke. Gründe dafür sind das garstige Wetter und der sehr schwierige Untergrund.
Kristina im Gegenwind auf Geröllfeldern |
Da Island eine Vulkaninsel ist, läuft man ständig auf relativ "jungem" und unebenem Boden: seien es Lavafelder, Lavafelsen, Lavastaub-Strassen, Geröllhalden, Sandstrände, Moosfelder. Ich habe meine Misstritte nicht gezählt, es waren bestimmt mehrere Dutzend davon. Ich kann mich nur erinnern, dass ich auf den 10 km des letzten Lauftages dreimal umgeknickt bin. Aber, oh Wunder, während der ganzen Woche bin ich kein einziges Mal aus Unachtsamkeit gestürzt. Nur während der langen Etappe, als wir auf rutschigen Lavafelsen in Meeresnähe laufen mussten, haben mich Windböen zweimal ausrutschen und stürzen lassen. Das war dann Grund für eine heftige Auseinandersetzung mit den Organisatoren. Ich war und bin immer noch der Meinung, dass sie uns auf diesem Streckenteil unnötigen Gefahren ausgesetzt haben.
Lava und Moos |
Der Wind war unser ständiger Begleiter: öfters in Orkanstärke, mal als Seiten-, mal als Gegen-, mal als Rückenwind. Der Engadiner Malojawind oder Wind in der Gobi-Wüste, die als windigste Wüste der Welt gelten soll, sind nichts im Vergleich mit dem Island-Wind. Seitenwind kombiniert mit Regen durchschleust Feuchtigkeit zwischen Rucksack und Regenjacke, zudem lässt er manchmal die Füsse gegeneinander schlagen und bring einen fast zum Stolpern. Nach einer Kurve empfahl es sich jeweils, die vorderen Läufer anzuschauen: war ihr Oberkörper in einem 30-Grad-Winkel gegen rechts gebeugt, hiess es, dass starker Wind von rechts kam. Waren sie plötzlich ganz klein und nach vorne gebückt: da war Gegenwind angesagt. Und wenn sie plötzlich ganz schnell waren, dann war der Rückenwind im Spiel. Eine weitere Schwierigkeit in Kombination mit dem Wind war der schwere Rucksack. Kam der Wind von der Seite, baten wir eine grössere Fläche als sonst und wurden aus dem Gleichgewicht gebraucht. Kam der Wind von hinten, hatten wir eine grössere Belastung auf Knien und Füssen durch die erhöhte Laufgeschwindigkeit.
Der Wind liess uns keine Ruhe, auch im Camp und besonders in der Nacht hat er stark geblasen. Dies hat uns erlaubt, in den regenfreien Stunden unsere Laufkleider schnell trocknen zu lassen. Dies aber nur ausserhalb des Zeltes: im Zelt war es immer so feucht, dass die Kleider am nächsten Morgen noch nässer waren. Überhaupt: geschlafen haben wir mit drei-vier Schichten Kleidern im (für die Outdoor-freaks unter meinen Lesern) +5-Grad-Schlafsack und zusätzlichem Seideninlet. Am Abend nach der langen Etappe waren dann die Zelte so nass, dass die Veranstalter uns in eine Turnhalle einquartiert haben.
Kleider im Gegenwind sogar im Zelt (merke den Winkel ...) |
Kleider am Trocknen in der Turnhalle |
Nichtsdestotrotz war es eine gelungene Woche. In erster Linie, da Kristina und ich die ganze Zeit zusammen gelaufen sind. Im Vorfeld des Laufes war dies für uns ein Fragezeichen: würden wir wie auf unseren Jogging-Ausflügen zusammen laufen können? Oder würde der Wettkampf Spannungen mit sich bringen? Nichts davon. Wir konnten uns - öfters mit nur einem Blick wegen des Windlärms - bestens verstehen und das Tempo dem Untergrund und den Wetterbedingungen anpassen. Auf der langen Etappe sind wir sogar auf Grund einer Beinverletzung von Kristina 11 Stunden durch Wind und Regen zusammen marschiert. Und diesmal konnte Kristina - anlässlich ihrer ersten Teilnahme an einem Mehrtageslauf! - mich ablösen und ihre Alterskategorie gewinnen.
Nicht nur am einzigen Sonnentag macht zusammen laufen Spass |
Ein paar Highlights:
Die Landschaft in Island ist einmalig: Gletscher und Gletscherseen in unmittelbarer Nähe, Geysirs, Wasserfälle, Lavafelder, Vulkane. Ein kleiner Gletschersee hat uns mit seinen durch den Wind verursachten hohen Wellen imponiert.
Die angekündigten Flussdurchquerungen wurden uns wegen den kalten Wassertemperaturen gespart. Nur an einem Tag mussten wir durch ein paar Bäche 500 meter vor dem Ziel durchwaten. Unsere Befürchtungen wegen den nassen Schuhen und Socken haben sich als ziemlich unbegründet erwiesen: am nächsten Morgen regnete es in Strömen, so wären die Füsse eh nass geworden ...
Zum ersten Mal bin ich auf Moosfeldern gelaufen: es fühlte sich wie eine Matratze unter den Füssen.
Überhaupt: Wind und Wetter ausgesetzt sein hatte sogar etwas Heldenhaftes.
Ein weiteres Highlight waren die in Geysirwasser gekochten Eier, die uns ein Rettungsteam unterwegs geschenkt hat.
Sehr zweckmässig hat sich die gewählte Laufausrüstung erwiesen. Unterschicht und Schuhe: Asics, Aussenschicht gegen Wind und Regen: Berghaus. Die Produkte wurden mir von Montana Sport zuerst als Test-, dann als Wettkampfausrüstung zur Verfügung gestellt. Danke Stefan, Giuseppe, Boris, Rocco und Christian für die Beratungen.
Auch in Ernährungsfragen bin ich mittlerweile Fachmann: wir hatten die für uns richtige Kalorienmenge dabei: 15'500 kcal, vorgeschrieben waren mindestens 14'000. Und der Rucksack mit seinen 9.5 Kg hatte alles drin, was ich gebraucht habe.
Wasserfall |
Vor einem Gletschersee |
Sandsturm in Sicht |
Vulkansand |
Typischer Laufboden |
Kampf gegen Mosquitos (nur während 10 Minuten) |
Anhalten und baden oder weiter laufen? |
Lokale Schönheiten |
Durch- oder rundumlaufen? |
Im Zielgelände |
Blue lagoon: endlich warmes Wasser |
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